Das herrschaftliche Haus, erbaut im Jahre 1680, ist mit seiner stattlichen Fassade unter dem goldenen Wappen als eines der schönsten und bedeutendsten Barockbauten über die Grenzen von Bautzen hinweg bekannt. Die einzigartige Architektur und die Geschichte der Gersdorffschen Stiftungsbibliothek mit ihren 5000 Exemplaren und zahlreichen Ausstellungsgegenständen zeugen von dem eigentlichen Schatz dieses Hauses. Über drei Jahrhunderte voller Tradition, Menschen und Ereignissen haben das Haus geprägt aus denen im Folgenden diese Dokumentation entstanden ist.
Hans von Gersdorff wurde am 22. Dezember 1630 als Sohn des Hans Wolf von Gersdorff, Landeshauptmann der Oberlausitz und seiner Frau Ursula geb. von Haugwitz geboren. Den Oberlausitzer Geschichtsheften Band XIV von 1936 ist zu entnehmen, dass er in seiner Jugend nicht allzu eifrig zur Erlernung der Wissenschaften angehalten worden ist. Zu seinen Studienreisen, wozu er 1652 eine Empfehlung des sächsischen Kurfürsten an den dänischen Hof bekam, gehörten nach 1660 Reisen nach Holland, Frankreich und England. Im Jahre 1659 vermählte sich Hans v. Gersdorff mit Anna v. Logau, Tochter des bereits 1655 verstorbenen zeitgenössischen Dichters Friedrich von Logau. Am 20. Oktober 1660 wurde die einzige Tochter, Sophia Amalia geboren. Die Tochter starb jedoch unverheiratet und kinderlos 1698, sechs Jahre nach dem Tode ihres Vaters Hans von Gersdorff (gest. 16.4.1692).
Allein der Verkauf von Grundbesitz der Familie v. Gersdorff ermöglichte Hans v. Gersdorff o.g. Bildungsreisen. Seine Reisenotizen belegen, dass er 1672, also mit 41 Jahren, mathematische, geographische und astronomische Vorlesungen hörte und sich von einem Glasschleifer in Leyden (Holland) ausbilden ließ, um selbst optische Linsen, wie in Bild 1 unten zu sehen, herstellen zu können. Er erwarb mathematische Instrumente und lernte die italienische Sprache.
Am 14. März 1672 reiste er über Amsterdam nach Paris, wo er wieder an Vorlesungen teilnahm und sich im Lautenspiel übte. Am 17. August brach er nach Rouen auf und bestieg am 21. August ein Schiff zur Fahrt nach Le Havre, wo es am 27. August von einem englischen Kaperschiff aufgebracht wurde. Am 29. August reiste er nach London, um bei der Admiralität sein Gut, was in wertvollen Büchern, Kleidern und weißem Zeug bestand, wieder zu bekommen. Die Rückreise am 3. Oktober verlief ähnlich wechselvoll, nur dass diesmal das Schiff von einem Blissinger Kaper aufgebracht wurde und der Blissinger Admiral Ruyter befahl, ihn und sein Gut wieder freizugeben. Am 9. Oktober fuhr er dann mit einem Bierschiff über Rotterdam, Delft und Leyden nach Amsterdam, wo er sich unter dem Prinzen von Oranien an einem Gefecht bei Woerden beteiligte, was aber durch das Eingreifen französischer Truppen unter Peter von Luxemburg unglücklich verlief. Nach so viel Abenteuer, was ihn als ritterlichen Edelmann und wissensdurstigen Gelehrten zeigt, fuhr er vom 29. Oktober bis 22. November von Amsterdam über Hamburg, Leipzig und Dresden nach Bautzen.
Diese Unternehmungen waren nicht nur Bildungs- und Abenteuerreisen, sondern sie dienten auch der Grundlage seiner späteren Sammlungen. Bereits in den 60iger Jahren traf sich Gersdorff mit Otto von Guericke in Dresden, wo Guericke die kurfürstlichen mathematisch-astronomischen Sammlungen studierte. Diese Freundschaft führte dazu, dass durch Gersdorffs Beziehungen zum Amsterdamer Verleger Jannsson die Veröffentlichung der sogenannten Magdeburger Versuche über den leeren Raum erstmals 1672 erschienen.
Die Bibliothek und Sammlung wissenschaftlicher Geräte wurde in Form einer fideikommissarischen Stiftung am 2. Mai 1681, ein Jahr nach Erbauung des Hauses eröffnet.
Dazu wurden in einem ersten Testament 2300 Thaler zu einem Stipendium bestimmt und in einem zweiten Testament vom 9. Mai 1692 diese um 9000 Thaler erhöht. Die kurfürstliche Bestätigung der Gersdorff-Weichaschen Stiftung fand erst am 15. Juni 1692 statt. Von den Zinsen dieses Kapitals sollen neben der Anschaffung von wissenschaftlichen Büchern auch Studienbeihilfen an die Abkömmlinge namentlich aufgeführter Verwandter geleistet werden, insbesondere für Studienreisen. Die Bibliothek wurde im speziell errichteten Barocksaal untergebracht. Dieser im ersten Obergeschoß befindliche Barocksaal hat ein massives Gewölbe und wurde mit Gittern sowie schmiedeeisernen Fensterverschlägen vor Brand und Einbruch gesichert.
Die Bibliothek stand nur einem akademischen Nutzerkreis offen. Die Aufsicht über die Bibliothek hat nach dem Willen des Hans von Gersdorff der Verwalter der Stiftung, welcher auch in den Genuss der unentgeltlichen Wohnung im Stiftungshause kommt. Nur solche Personen, die studiert haben, dürften Bücher und Instrumente, aber nicht länger als zwei Monate, ausleihen. Manuskripte aber sollten an niemand ausgeliehen werden. Als Bibliothekar ist stets ein Lehrer des Gymnasiums angestellt, welcher bestimmungsgemäß auch den Stammbaum der Familien Gersdorff aus dem Hause Weicha und Gröditz fortführen soll. Der Buchbestand ist von etwas über 2300 Bänden im Jahre 1799 auf inzwischen ca. 6000 Bände angewachsen. Außerdem enthält die Sammlung Grafiken von Martin Schongauer, Georg Pencz und Lucas Cranach des Älteren.
Berühmt sind die vielen wertvollen Manuskripte, darunter eine von Johann Huß eigenhändig in böhmischer Sprache geschriebener Band Hausandachten, sowie eine größere Anzahl aus den ersten Jahren nach der Erfindung der Buchdruckerkunst stammenden sogenannten „Wiegendruck“.
Die Bibliothek umfasste außer Büchern und kostbaren Handschriften auch Globen und sternkundliche Geräte. Die Sammlung hat die Zeiten bis heute überdauert und steht als Leihgabe unter städtischer Verwaltung. Die Bibliothek ist der Stadtbibliothek angeschlossen, während die Gerätschaften und die Kupferstichsammlung mit wertvollen Dürerstichen im Stadtmuseum Bautzen verwahrt werden.
Die Bibliothek und Kunstsammlung zählt auch nach über 300 Jahren noch zum Besten, was die europäische Kunst der Neuzeit auszeichnet.
Die Bewohner des Gersdorff-Weichaschen Stiftungshauses waren anfänglich außer der Stifterfamilie lediglich der Schatzmeister der Stiftung bzw. Dispensator und der Bibliothekar. Mit Ausnahme der Jahre 1793 bis 1795, wo der Oberlausitzer Landphysikus Dr. Bermann Stiftungsbibliothekar war, verwalteten bis 1922 Lehrer des Gymnasiums die Bibliothek. Ein kleiner Auszug aus der Chronik belegt, dass z.B. von 1692 bis 1720 die Oberamts-Kammerprokuratoren Lutter, Hartranft und Platz, von 1720 bis 1727 der Oberamtsadvokat Wagner, von 1727 bis 1745 der Oberamtsadvokat Kriedel und von 1746 bis 1763 der Magister Hetschold als Stiftungsbibliothekare eingetragen sind.
Der letzte Gersdorffsche Bibliothekar war von 1922 bis 1944 der städtische Büchereidirektor Marx, der auch 1925 den Umzug in die Stadtbibliothek begleitete.
Die Familie von Gersdorff wirkte über viele Jahrhunderte in der Oberlausitz. Noch heute tagt der Familienverband derer von Gersdorff e .V. aller 2 Jahre und pflegt eine Homepage. Es bestehen langjährige Kontakte der Familie zur Oberlausitz, zu Bautzen und seit jüngster Vergangenheit auch zum Gersdorffschen Palais.
05.09.2017, von Carmen Schumann, Bautzen
Das Palais G. am Burgplatz hat eine sehr wechselvolle Geschichte hinter sich. Der Stammvater derer von Gersdorff richtete hier 1681 seine wertvolle Stiftungsbibliothek ein. Auch Tellurien, also Himmelsgloben waren damals hier zu sehen. 1925 kamen die wertvollen Stücke in das Bautzener Museum und ins Archiv. Im 20. Jahrhundert tagte hier ein Schiedsgericht, ein Jungfrauenverein hatte seinen Sitz, ein Landespolizeibüro und das Kreisarbeitsgericht. Ab 1970 bis zur Wende war hier die Bautzner Kreisfilmstelle angesiedelt. Nach der Wende versuchten hier verschiedene Gaststätten ihr Glück, allerdings hatte keine von ihnen den nötigen Erfolg. Erst als Frank und Martina Hentschel aus Görlitz das Gebäude 2015 übernahmen, kam es in ein ruhigeres Fahrwasser. Als Zeichen der Anerkennung für die Bemühungen um den Erhalt des Gebäudes hatte Bernhard von Gersdorff am 13. September 2015 den Originalkatalog der Gersdorffschen Bibliothek an die Leiterin des Staatsfilialarchives Anja Moschke übergeben.
Jetzt war Bernhard von Gersdorff wieder zu Besuch in dem barocken Palais, das einst sein Vorfahr Hans von Gersdorff errichten ließ. Mit ihm kamen weitere 14 Familienmitglieder, die über ganz Deutschland verstreut leben. Anlass war das große Familientreffen, das alle zwei Jahre die Familienmitglieder zusammenführt. Dieses eigentliche Treffen, zu dem die 65 Mitglieder des Gersdorffschen Familienvereins erwartet wurden, fand in Herrnhut statt.
Die „Vorhut“, die in Bautzen Station machte, ließ sich von Frank Hentschel einen Überblick geben, wie es in den zurückliegenden zwei Jahren im Gersdorffschen Palais vorangegangen ist. Die gravierendste Veränderung besteht darin, dass in der großen Eingangshalle alle störenden Einbauten beseitigt wurden, sodass das Foyer wieder in seiner ganzen Pracht erlebbar ist. Und auch der Barocksaal im Obergeschoss wurde von den hässlichen dunklen Farbschichten befreit, die von den Gaststättenbetreibern aufgebracht wurden.
Das Familienoberhaupt Bernhard von Gersdorff zeigte sich sehr angetan darüber, wie in Bautzen mit dem geistigen Familienerbe umgegangen wird. Die Schätze aus der Stiftungsbibliothek seien hier in guten Händen. Von Gersdorff freute sich aber auch, dass as ehrwürdige Palais am Burgplatz jetzt für kulturelle Zwecke genutzt wird. Frank Hentschel berichtete über die vielfältigen Aktivitäten, die hier in den vergangenen zwei Jahren organisiert wurden. So steht das Gebäude für Familienfeiern zur Verfügung, aber es fanden unter anderem auch Benefizkonzerte des Bunte-Welt-Chores für El Salvador, Modenschauen und Konzerte statt. Auch die Jahresversammlungen der Stadtführer finden hier einen würdigen Rahmen.
Im Jahr 1572 kamen 200 Herren von Gersdorff in Zittau zusammen, um sich über die einheitliche Gestaltung des Wappens zu vergleichen. Der Erfolg dieses Vergleichens wurde auf Papier gemalt und zu „einn Ewigen gedechtnus“ auf dem Rathaus in Zittau hinterlegt. Dieser Riss ging in dem Stadtbrand 1608 verloren. Deshalb beschloss man auf dem Geschlechtstag 1611 ein Monument aufzurichten, das in einem Gewölbe der Dreifaltigkeitskirche in Zittau aufbewahrt wurde. Dieses Monument wurde 1623 nach Görlitz überführt und im Vogtshof aufgestellt. Von da wurde es im Laufe des 19. Jahrhunderts in das „Ständehaus“ gebracht, wo es dem „Gersdorff-Zimmer“ den Namen gab. Das Ständehaus wurde nach dem Krieg von der Polizei genutzt und als nach der Wende das Gebäude wieder zugänglich war, war das Gersdorffsche Wappenmonument nicht mehr vorhanden. Wir mussten mit seinem Verlust rechnen. An Abbildungen gab es nur einen guten Kupferstich von 1719, eine Lithographie von 1818, ein unterbelichtetes Foto und dieses kürzlich aufgefundene Aquarell von Robert Scholz aus der Zeit um 1870.
Im November 2018 überbrachte uns dann Freifrau Nicoline von Ulmenstein, Archivarin des Familienverbandes derer von Gersdorff, ein besonderes Geschenk: